Turpe senex miles turpe senilis amor

[47] Vor 1638.


Soll denn mein Junges Leben,

Da alles liebt vnd freyht,

Alleine sich ergeben

Der langen Einsamkeit?

Bleibt dann die Frewd vnd Lust

Der schleyer-weissen Brust,

Nach der wir alle streben,

Mir Ewig vnbewust?


Die Würme, die nur schleichen,

Die schnellen Fisch im Meer,

Das Wild in den Gesträuchen,

Der Vögel leichtes Heer,

Vnd was sich in der Welt

Durch Lufft vnd Flut erhelt,

Kriegt jedes seines gleichen,

Sobald es jhm gefellt.


Nur ich muß nicht geniessen

Worauff dieß Leben geht,

Das Glück will mir verschlissen

Was andern offen steht;

Der Früling meiner Zier

Ist ferne schon von hier,

Gleich wie die Bäche fliessen

So eilt mein Herbst zu mir.


Ich aber muß noch bleiben

So wie ich vormahls war,

Soll nimmer mich beweiben,

Mit keiner seyn ein paar;

Das süsse Wangen-roht

Soll nimmer mir die Noht

Der Einsamkeit vertreiben,

Solch Leben ist ein Tod.


Du Königinn Dione,

Von der es einig rührt,

Daß meiner Zeiten Crone

Mir keine Lust gebührt;

Ist dieß der Lieder Danck,

Die Ich mein lebenlang

Von dir vnd deinem Sohne

In meine Geige sang?


Es hat mich nie gefangen

Was mir verbothen ist,

Bin nie dem nachgegangen

Was Leib vnd Seele büst;

Will keiner wilden Brunst,

Nur eines Menschen Gunst

In Ehren zu erlangen

Versuch ich alle Kunst.


Soll ich mir dann erst rathen,

Wenn schon mein Winter schneyt,

Was thue ich dann vor Thaten

Im süssen Liebes-streit?

Wer jung ist, liebt den Krieg,

Ein alter bleibt zu rück,

Denn solcher arth Soldaten

Erhalten schlechten Sieg.


Nein jetzund wil ich haben

Was auff mein Leiden dient,

Weil noch die Füsse traben

Vnd noch mein Alter grünt;

Komm Venus, schleuß mich ein

Der Liebsten, die ich mein'!

Ich will von deinen Gaben

Recht satt vnd truncken seyn.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 47.
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